(aus: junge Welt vom 18.12.2003)
Fox auf verlorenem Posten
Protest gegen neoliberalen
Präsidenten in Mexiko.
EPR-Guerilla fordert Rücktritt
von Luz Kerkeling,
Chiapas / Harald Neuber
Die Auseinandersetzung um die neoliberale Politik des mexikanischen
Präsidenten Vicente Fox gewinnt zunehmend an Härte. Nachdem das mexikanische
Parlament am Donnerstag vergangener Woche eine schon länger geplante
Steuerreform überraschend kippte, geht der seit knapp drei Jahren amtierende
Präsident zunehmend auf Konfrontationskurs zur Opposition. Der ehemalige
Coca-Cola-Manager geizt dabei nicht mit markigen Worten: Er werde weiter
»eine Schlacht für die Gerechtigkeit« schlagen, tönte Fox am Mittwoch. Auf
sein umstrittenes Vorhaben angesprochen sagte er: »Dieser Krieg ist noch
nicht verloren«.
Der Streit zwischen der Regierungspartei »Nationale Aktion« und der linken
Opposition war offen ausgebrochen, als Fox Anfang November zum zweiten Mal
seit seinem Amtsantritt im Dezember 2000 eine Steuerreform in das Parlament
einbrachte. Seine politischen Gegner kritisieren, daß das Vorhaben massiv zu
Lasten der armen Bevölkerung gehen würde. Zwar soll die Mehrwertsteuer auf
Medikamente und Nahrungsmittel von derzeit 15 Prozent auf 13 Prozent gesenkt
werden, hinzu käme jedoch eine achtprozentige Erzeugersteuer. Diese, so
Kritiker, würde auf die Endverbraucher abgewälzt. Zudem will Fox Überstunden
und finanzielle Sonderleistungen für Arbeiter steuerlich belasten.
Die Präsidentenpläne waren in der vergangenen Woche gescheitert, nachdem
Abgeordnete aus dem linken Flügel der ehemaligen Staatspartei PRI (Partei der
institutionellen Revolution) das strategische Bündnis mit der PAN
aufgekündigt, und gegen Fox’ Vorhaben gestimmt hatten. Der verlor prompt die
Nerven: Die PRI würde nur noch »lügen und betrügen«, so Fox, der seine Gegner
zu »Hauptverantwortlichen für den Stillstand« erklärte. Seine Politik
hingegen stehe für »Demokratie, Entwicklung und Fortschritt«. Das Volk
scheint anderer Meinung, denn wenige Tage zuvor demonstrierten über 100 000
Menschen in Mexiko-Stadt gegen die Vorhaben des zunehmend ungeliebten
Präsidenten.
In der Debatte hat sich nun auch die Guerilla der »Revolutionären Volksarmee«
(EPR) zu Wort gemeldet. In einem Kommuniqué fordert das Generalkommando der
zweitgrößten Guerilla Mexikos den Rücktritt von Präsident Fox. »Der Foxismus
gehorcht dem imperialistischen Projekt. Er versucht mit Unterstützung der
konservativsten Parteien, die Ressourcen und die nationale Souveränität an
die transnationalen Konzerne zu übergeben«, heißt es in dem Dokument, das auf
Ende November datiert ist und nun öffentlich wurde. Die EPR kritisiert, daß
die Fox-Regierung, die sich selbst als Vermittlerin des demokratischen
Übergangs versteht, eine neoliberale Politik weiterführe, die vor zwanzig
Jahren von der damaligen Staatspartei PRI unter Miguel de la Madrid begonnen
wurde. Gleichzeitig greift die EPR die »oberen Zehntausend, die Oportunisten
und die Linken« an, die vor drei Jahren meinten, mit der »nützlichen
Stimmabgabe« zugunsten von Fox einen Wechsel in der Politik herbeigeführt zu
haben.
Die mexikanische Bevölkerung sei es leid, »Geisel der politischen Klasse« zu
sein, die das soziale Leben bestimme, schreibt die EPR: »Sie ist die
Verteuerung der wichtigsten Produkte leid, die Preissteigerung, die niedrigen
Löhne, das Fehlen einer Agrarpolitik zugunsten der Armen, das Fehlen von
Arbeitsplätzen, die Militarisierung, den Krieg der niederen Intensität, das
Einsperren und Ermorden sozialer Kämpfer, die massiven Kündigungen von
Arbeitern, das Verschwinden der kleinen und mittleren Industrie, die
Kriminalisierung des sozialen Kampfes, die geplante Besteuerung von Medizin,
Nahrungsmitteln und Büchern und die Ignoranz von Fox und seinem Kabinett«.
Der wachsende Protest gegen die Politik der PAN und von großen Teilen der PRI
traf ausdrücklich auf Unterstützung der Guerillaorganisation. Die Proteste
hätten gezeigt, daß Fox zurücktreten müsse, »damit es die Bevölkerung ist,
die ihre eigenen Entscheidungen trifft«. Kurz vor dem 10. Jahrestag der
weitaus bekannteren EZLN-Guerilla rief die EPR die Bevölkerung zum Protest
»durch landesweiten zivilen Widerstand und die revolutionäre bewaffnete
Selbstverteidigung« auf.
Die EPR, die in den vergangenen zwei Jahren nicht mehr in größerem Umfang
militärisch operiert hat, trat erstmals 1996 in die Öffentlichkeit und führte
in mehreren Bundesstaaten Angriffe auf Polizei-, Militär- und Regierungseinrichtungen
durch. Militärisch wird die EPR, die »für die sozialistische Revolution«
kämpft, von der Regierung als ein größeres Risiko als die Zapatistische
Befreiungsarmee (EZLN) eingeschätzt. Anders als die Truppe von Sprecher
»Subcomandante Marcos« behält sich die EPR bis heute bewaffnete Aktionen vor.
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B.A.S.T.A.
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